Collegium PONTES 2006 Bedingungen europäischer Solidarität

Collegium PONTES 2006 Bedingungen europäischer Solidarität

Projektträger
Institut für kulturelle Infrastruktur Sachsen ()
Ausrichter
Ort des Projektträgers
Görlitz
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.06.2006 - 28.07.2006
Von
Agnieszka Mazur

Veranstaltungstyp: Sommerakademie für Nachwuchswissenschaftler
Thema: Bedingungen europäischer Solidarität
Ort: Görlitz
Dauer: 10. Juni - 28. Juli 2006
Bewerbung bis zum: 31. März 2006

Zum Thema:
Das Scheitern der Referenden zum Europäischen Verfassungsvertrag hat bei den politischen Akteuren Ratlosigkeit über das weitere Verfahren bei der europäischen Integration hinterlassen. Der geisteswissenschaftlichen Durchdringung der Frage nach den Bedingungen und Möglichkeiten einer europäischen Solidarität kommt damit eine ganz neue Qualität für die Vertiefung des Projekts Europa zu.

Die Zukunftsfähigkeit Europas steht fraglos auf dem Prüfstand. Unklarheit besteht schon bei der Finalität der Europäischen Union. Die Frage „Wohin Europa?“ führt zu einem diffusen Nebeneinander von Zielgrößen wie „Friedensunion“, „Europa als liberale Marktordnung“, „gemeinsamer Wirtschafts- und Sozialraum“ oder „leistungsfähiger Konkurrent im globalen Wettbewerb“. Dieser Mangel an Eindeutigkeit führt zu einem fortschreitenden Legitimationsverlust des europäischen Projekts.

Das Scheitern der Verfassungsreferenden im vergangenen Jahr ist somit nur Symptom einer fortschreitenden Verunsicherung, vor allem auf zivilgesellschaftlicher Ebene. Erschreckende Folge dieser „Lektion“ war eine „Denkpause“, welche sich die europäische Politik einräumte, um Wege aus der nun offenbar gewordenen Krise entwickeln zu können. Denn ein Rückzug in verschlossene Verhandlungsräume, auf eingefahrene gouvernementale und technokratische Gleise, kann nicht der richtige Weg sein, um die Kluft zwischen der Bevölkerung der Europäischen Union und ihrem politischen Apparat nachhaltig schließen zu können. Die Frage ist offenbar zu komplex, um im Moment seitens der Politik hinreichend behandelt werden zu können.

Ganz anders die diskursbestimmenden Reaktionen unter Philosophen, Sozial- und Kulturwissenschaftlern. Bei ihnen hat die „Lektion“ keine Denkpause verursacht. Im Gegenteil: angetrieben von der Situation stellen sie in der Öffentlichkeit Fragen nach der geistigen Realität Europas, um nicht nur eine tragfähige Grundlage für einen neuen Entwurf des Verfassungsvertrages zu entwickeln, sondern vor allem Europas Zukunftsfähigkeit zu sondieren. Die „Krise Europas“ ist der Ansporn für geistige Innovation, Reibung führt nicht zu Stillstand sondern fordert Bewegung erst heraus.
Dies scheint nur folgerichtig, denn es wird kaum bestritten, dass die Europäische Union endlich zu einer grundlegenden Übereinkunft bezüglich ihrer Existenz, zur (Er)Klärung ihrer Zielausrichtung und folgend zu einer gemeinsamen „Verfasstheit“ gelangen muss. Einer der bestimmenden Begriffe in diesem Kontext ist jener der Solidarität als der sich in gemeinsamer Handlung aktivierten Zusammengehörigkeit von Individuen und Gruppen, Regionen und Staaten. Ausgehend von den historischen Wurzeln des Begriffes in der Arbeiterbewegung und den Gewerkschaften im 19. und 20. Jahrhundert sind allerdings die begrifflich-inhaltliche Verortung und folgend Voraussetzungen von Solidarität in Europa neu zu definieren. Wie wäre die Trias einer Solidarität der Gesinnung (also eines gemeinsamen Einheitsbewusstseins der Europäer), einer Solidarität des Handelns (als gegenseitige Hilfsbereitschaft) und einer Interessen-Solidarität (die durch Interessengleichheit in einer bestimmten Situation wirksam ist und nach dem Erreichen des gemeinsamen Zieles endet) im europäischen Kontext zu bewerten? Und welche Bedingungen wären zu erfüllen, um sie zu ermöglichen oder gar zu provozieren?

Collegium PONTES 2006 will als offenes Forum für Wissenschaftler zur Klärung dieser Fragen seinen Beitrag leisten. Auf interdisziplinärer Ebene und ausgehend von kulturellen und kulturpolitischen Fragestellungen sollen „Bedingungen europäischer Solidarität“ analysiert und diskutiert werden. Eingebunden sind an den aktuellen Diskursen zentral beteiligte Akteure, die auf der Forschungsplattform des Collegiums gemeinsam mit Nachwuchswissenschaftlern Impulse für die nachhaltig tragfähige Gestaltung des europäischen Einigungsprozesses erarbeiten.

Zur Struktur:
Collegium PONTES ist ein transnationales Wissenschaftskolleg, das sich mit den kulturellen und sozialen Bestimmungen Europas und des Europäischen auseinander setzt. Die hier forschenden scientists-in-residence sind einerseits erfahrene Wissenschaftler (Senior Fellows), die in der Gelehrtengemeinschaft auf Zeit des CP Brücken zwischen ihren Disziplinen bauen, und andererseits sind es Nachwuchswissenschaftler, Doktoranden und Post-Docs der Humanwissenschaften, die sich aktiv an diesem Dialog beteiligen (Junior Fellows).
CP 2006 forscht in drei Teams:
1) Überlegungen zu einem erneuerten Verfassungsvertrag der Europäischen Union,
2) Erscheinungsformen der Solidarität und Entsolidarisierung in der schlesischen Literatur,
3) Der grenzüberschreitenden Kultur ihr Recht geben. Untersuchungen zum Theaterverbund Neiße.

Voraussetzung für die Teilnahme der Nachwuchswissenschaftler ist, dass sie an einem Dissertations- oder Post-Doc-Forschungsprojekt arbeiten, das sich thematisch in den Rahmen der Veranstaltung einfügt. Ebenfalls müssen ihre Deutschkenntnisse eine Beteiligung an den Diskussionen ermöglichen. In den Teams forschen sie gemeinsam und individuell zu unterschiedlichen Aspekten des facettenreichen Hauptthemas. Die Arbeitssprache ist deutsch. Die Präsenzphase in Görlitz-Zgorzelec bietet neben den Fachseminaren öffentliche Gastvorträgen der Visiting Fellows, Diskussionsrunden sowie Fachexkursionen. Alle Veranstaltungsarten fördern die Begegnung von Menschen und Ideen.

Zur Bewerbung siehe unter www.kultur.org